Alle Jahre wieder…
- „Keine lebenden Tiere unter den Weihnachtsbaum!“
- „Bitte immer daran denken, keine Tiere zu verschenken!“
- „Advent, Advent die Schildkröte pennt. Erst einen Monat, dann zwei, dann drei, dann vier. Unter den Weihnachtsbaum gehört kein Getier…“
So, oder so ähnlich hört es sich an, und liest man jetzt immer wieder in Internetforen, sozialen Netzwerken, Zeitungen, Tierschutzsendungen und auf Tierschutzveranstaltungen. Und obwohl wir immer wieder darauf hinweisen, dass ein lebendes Tier nicht als Geschenk herhalten sollte, so werden wahrscheinlich auch in diesem Jahr wieder zahlreiche Familienmitglieder das lang ersehnte Haustier geschenkt bekommen.
Im Grunde genommen ist es ja auch egal, wann man ein Tier bekommt. Hauptsache ist doch wohl, dass der neue Halter sachkundig genug ist und ein fertig eingerichtetes Gehege zuhause hat. Oder das passende Zubehör. Und dennoch möchte ich in diesem Beitrag noch einmal darauf hinweisen, warum man ausgerechnet zu Weihnachten keine Schildkröten verschenken sollte. Oder warum man mit Tiergeschenken nicht immer richtig liegt, wenn der neue Halter das neue Tier nicht selbst ausgesucht hat…
Da muss noch nicht einmal das Argument des freiwilligen Kaufverzichts von im Winter starrenden Arten genannt werden. Wobei ich natürlich damit anfangen werde. Es gibt nun mal Schildkrötenarten, die im Dezember ihre natürliche Winterstarre halten. Der Zeitraum, in dem die Tiere in ihren natürlichen Lebensräumen auf Grund der kühlen Temperaturen nicht auf ihre Vorzugstemperatur und Körperkerntemperatur kommen. Wechselwarme Schildkröten haben im Winter keine Chance die notwendigen Körpertemperaturen zu erreichen, die sie benötigen würden, dass der Stoffwechsel und alle anderen Körperfunktionen ausreichend funktionieren. Künstliche Wärme würde gerade bei Jungtieren in der Winterzeit zu unnormal schnellem Wachstum führen. Alttiere hingegen benötigen den Starrzustand um ihre biologische Uhr weiterhin im Rhythmus zu halten, damit die Reproduktion der eigenen Art auch weiterhin funktioniert. Diese Arten scheiden somit als geeignete Tiere für einen Kauf im Winter sowieso aus. Zumindest für Halter, die sich etwas intensiver mit der Wichtigkeit einer Hibernation von im Winter starrenden Tieren beschäftigt haben.
Das Verschenken eines Tieres, was sich der neue Halter gar nicht selbst ausgesucht hat, kann auch ganz schnell zur Enttäuschung werden, wenn der Schenkende gar keine Ahnung hat, wie das neue Tier denn überhaupt aussehen sollte. Bei Schildkröten reden wir nicht nur von Arten und Unterarten. Es geht auch teilweise darum, wo das Tier seinen regionalen Ursprung hat. Woher stammen die Elterntiere? Und sind die Tiere auch wirklich gesund? Es geht nicht nur darum irgendeine Schildkröte zu kaufen. Es geht um Kleinigkeiten, wenn man es aus dem Auge eines Laien betrachtet. Der ambitionierte Schildkrötenhalter sieht das zum Teil aber schon mit anderen Augen, und vertritt vor allem andere Ansichten, wenn es darum geht, ob eine Schildkröte „schön gewachsen“ ist. Und selbst wenn der zukünftige Halter alles zuhause hat, damit das neue Tier sich wohl fühlt, so landet man mit seinem Geschenk vielleicht den berühmten „Griff ins Klo“… Ersparen Sie sich diesen…
Anders herum kann sich natürlich der zukünftige Halter das Tier aussuchen, und dann schenken lassen. Aber traditionell sollten Weihnachtsgeschenke doch eine Überraschung sein. Auch das ist ein Grund mehr, auf das Verschenken von Tieren zu verzichten. Denn wenn der zukünftige Halter gar nicht weiß, dass er ein Tier bekommt, hat er bestimmt nichts vorbereitet, damit sich das Tier bei ihm auch wohl fühlt.
Landschildkrötenhaltung ist meldepflichtig. Sollten Sie also eine Landschildkröte kaufen, um sie später zu verschenken, müssen sie zunächst das Tier bei Ihrer zuständigen Behörde melden. Und hinterher, wenn Sie das Tier verschenkt haben, wieder abmelden. Ersparen Sie diesen orttreuen Tieren den unnötigen Zwischenstopp. Und verschenken Sie gar keine Tiere wenn der zukünftige Halter keine Möglichkeit hatte alles so vorzubereiten, dass die Schildkröte auch artgerecht untergebracht werden kann.
Ein Tier ist kein Ding, kein stumpfer Gegenstand, den man einfach in die Ecke stellt, wenn er nicht gefällt. Auch ein Umtausch ist beim Kauf eines Tieres nicht ganz so einfach geregelt, wie zum Beispiel der Onlinekauf einer Jacke oder Hose. Und ein Weiterverkauf ist natürlich auch nicht großartig. Ersparen Sie sich und dem Tier eine Enttäuschung. Lassen Sie sich keine Tiere zu Weihnachten schenken. Und verzichten Sie selbst auf das Schenken eines Tieres. Es gibt tausend schöne Dinge die man sich schenken kann. Und auch wenn es von Herzen kommt. Oder besser, weil es ja von Herzen kommt – bitte kein lebendes Tier.
Zubehör, Gutscheine, ein Besuch im Lebensraum oder im Zoo.
„Jedes Tier ist ein Geschenk – aber nicht zu Weihnachten.“ So lautet also mein Motto.
Und wenn Sie sich selbst ein Tier schenken wollen, dann achten Sie aber bitte darauf, dass es eben zu keiner winterstarrenden Art gehört. Diese Tiere liegen nämlich gerade in ihren Überwinterungsverstecken und warten auf den Frühling.
Und da dieser Text für Menschen geschrieben wurde, die bisher nicht über dieses Thema nachgedacht haben noch der Hinweis:
Verschicken Sie keine Tiere mit einem Paketanbieter. Und – Bei den winterlichen Temperaturen ist zudem darauf zu achten, ob Tierversender überhaupt beheizte Transporte anbieten…
Viele schütteln jetzt bestimmt den Kopf und sagen: „Jedes Jahr dieselbe Leier…“
Ja – weil alle Jahre wieder nach der Weihnachtszeit die Tierheime, Auffangstationen und ähnliche Einrichtungen mit Tieren konfrontiert werden, die dann doch nicht das richtige „Geschenk“ waren.
Und bei Tieren ist es eben nicht wie mit einer Jacke oder Hose. Wenn das Tier nicht passt, kann man es eben nicht umtauschen, oder zurück geben…
Es gibt Menschen, bei denen ist Tierhaltung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht so wichtig gewesen. Und Spontankäufe sind auch weiterhin an der Tagesordnung. Das ist ja der Grund, warum wir als Verein uns da aufstellen, wo man es nicht immer gleich erwartet. Wir sind nicht nur auf Fachtagungen und/oder Infoveranstaltungen zu finden. Wir erreichen mittlerweile auch Menschen, die in ihrem Garten Schildkröten halten, ohne zu wissen, dass es überhaupt Fachtagungen und Vereine wie die IGSN gibt. Und diese Menschen würden diese auch niemals besuchen, weil sie andere Hobbies haben, und diese primär betreiben. Sie halten zwar Schildkröten, aber das nur nebenbei.
Aber wenn die Adventszeit beginnt, besuchen auch diese Menschen mal einen Tag der offenen Tür im Tierheim. Oder einen Weihnachtsmarkt. Und genau, da findet man uns in diesem Jahr zum ersten Mal. Der Stand auf dem Weihnachtsmarkt mit den Schildkrötenbildern fällt schon von weitem auf. Und leicht schmunzelnd werden wir angesprochen. Von der Familie, die ihre „Mathilda“ schon zwanzig Jahre in ihrem Gartengehege hält. Oder vom Pärchen, das erst letzte Woche eine Moschusschildkröte gekauft hat. Vom Enkel, der seine Oma im Sommer besucht, die auch schon seit 50 Jahren Schildkröten hält. Vom Tierheimpfleger, der gerade sehr häufig mit Tieren zu tun hat, die zu den invasiven Arten zählen. Und… und… und…
Und nach dieser Veranstaltung wissen diese Menschen auf einmal, dass es so einen Verein gibt. Dass Menschen existieren, die gerne neutral und ohne kommerziellen Druck Auskünfte geben. Kontakte werden geknüpft. Und ab und an verschieben sich auch die Prioritäten im Bezug auf Hobby und Freizeitgestaltung.
Das ist der Grund warum die IGSN so viele Infobroschüren erstellt und produziert. Mittlerweile werden unsere Broschüren auf Börsen, Messen und Geschäften von Händlern ausgelegt. Halter, Züchter, Tierheime, Pflegestellen, Auffangstationen, Zoos und andere verteilen mittlerweile die Infoflyer der IGSN.
Durch die Broschüren erfahren Menschen etwas über mögliche Krankheiten, und wie man die Verbreitung verhindern kann. Was ist überhaupt eine Schildkröte? Warum man im Winter keine Winterstarrenden Schildkröten kaufen sollte. Haltungsempfehlungen. Wie Auffangstationen arbeiten, und was sie alles leisten. Usw.
Infostände und positive Aufklärung an Orten, wo man sie nicht erwartet. Es geht nicht um Parolen Schreierei.
Unser Motto: Stelle dich mit einem Schild in der Hand auf einen Marktplatz. Auf dem Schild steht großgeschrieben: „Wer Schildkröten großartig findet darf mich ansprechen…“ Man wird ganz sicher viel belächelt und wahrscheinlich sogar ausgelacht. Aber ein paar Menschen werden stehen bleiben und reden. Das ist wie Facebook, nur im realen Leben.
Heute werden die Menschen mit Informationen zugeschüttet. Und viele Informationen gehen einfach in der Masse unter. Jeder sucht sich aus der Informationsflut das raus, was ihn interessiert. Und wenn man heute ein bestimmtes Thema zuerst raussuchen würde, so entscheidet man sich wahrscheinlich eine Woche später für andere Informationen, die einem plötzlich wichtiger erscheinen.
Mit anderen Worten. Es gibt sicher für viele Menschen etwas wichtigeres als die artgerechte Haltung von Schildkröten. Aber eben nur aus der Sicht der Menschen.
Aus Sicht der Schildkröte aber keinesfalls.
Und jetzt bitte nicht den Spruch: „Artgerecht ist nur die Freiheit!“ Denn auch da kann man geteilter Meinung sein (Siehe hier)
Und bevor jetzt jemand sagt: „Früher war alles besser…“ , Dass es nicht immer besser war, kann man hier nachlesen.
Die ersten Adventsmärkte sind eröffnet. Und die Weihnachtszeit ist nicht mehr weit. Genießt sie und bleibt neugierig.
Sollten Sie sich jetzt für unsere Informationsbroschüren interessieren, dann schreiben Sie uns an. Dafür benutzen Sie am Besten unser Kontaktformular.
Ralf Czybulinski (Bottrop)